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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Illustriertes Sportblatt

6.6.1925

Historisches Logo der Zeitung »Illustriertes Sportblatt«

Die Meisterschaft.

Die Hakoah verliert an den W.A.C. einen Punkt. - Das abschreckend häßliche Spiel läßt Schlimmes für die kommenden Spiele befürchten.

Vor achtzehn Jahren hat man in Wien nach einigen meisterschaftslosen Jahren den Versuch gemacht, eine Punktekonkurrenz einzuführen, um auf diese Weise eine größere Regelmäßigkeit in den Spielbetrieb zu bringen. Kaum ein halbes Jahr später war diese Meisterschaft wieder aufgehoben und alles atmete erleichtert auf. Zu solch wilder Glut waren selbst in den damaligen primitiven Zeiten, in denen der Sport noch nicht ausschließlich nach finanziellen Gesichtspunkten beurteilt wurde, die Leidenschaften durch die Meisterschaft angefacht worden.

Es scheint, daß wir heute keineswegs besser, eher noch schlechter daran sind. Die Meisterschaft nähert sich ihrem Ende und die Hakoah hat sich einen ziemlichen Vorsprung errungen. Sie hat ihre günstige Position durch gute Leistungen sich verdient, hat aber auch dadurch viel Glück gehabt, daß gerade in den letzten Wochen ihren schärfsten Konkurrenten Punkte von den Vereinen des Unterhauses weggenommen wurden. Vor dem Spiele der Hakoah gegen den W.A.C. schien ihr Endsieg schon ganz sicher, namentlich als die Vienna am Tage vorher vom Sportklub geschlagen worden war.

Die bei diesem Spiele anwesenden Hakoahner freuten sich natürlich sehr über die Niederlage der Döblinger und diese selbst hatten alle Ursache, unzufrieden zu sein. Aber absolut keine Ursache hatten ihre Anhänger, den Spielern der Dornbacher deswegen Vorwürfe zu machen, weil sie durch ihren Sieg einem "jüdischen Verein" zur Meisterschaft verholfen hätten. Welch ein trauriges Zeichen dafür, wie sehr bereits die Verwilderung der sportlichen Moral vorgeschritten ist! Erwachsene Leute halten es für ein Verbrechen, daß sich ein dritter Verein zu keiner Schiebung hergibt und in jedem Spiel so gut spielt, als er eben kann!

Die andere Seite, der Anhang der Hakoah, war natürlich auch nicht der Auffassung von der sportlichen Moral der Sportklub-Leute und der Sektionsleiter des Sportklubs wurde vor dem Spiele von verschiedenen Parteigängern der Hakoah vertraulich gefragt, ob es wahr sei, daß er seiner Mannschaft den Befehl gegeben habe, die Vienna gewinnen zu lassen, damit die Hakoah nur ja nicht die Meisterschaft gewinne. So sonderbare Früchte wachsen am Baume unseres Fußballsports.

Daß natürlich auch gegen den Schiedsrichter die dümmsten Anwürfe erhoben wurden, gehört auf dasselbe Blatt. Das Possierlichste war die auf der Tribüne laut geäußerte und gern geglaubte Version, der Vizepräsident der Hakoah sei die ganze Nacht vor dem Spiele mit dem Schiedsrichter in Vergnügungslokalen gewesen und habe ihn dort traktiert, damit er am nächsten Tage ganz bestimmt den Sportklub gewinnen lasse! Daß außerdem feststand, daß die Hakoah den Schiedsrichter bestochen habe und daß nur über die mutmaßliche Höhe der zu diesem Zwecke erforderlichen Summe einige Meinungsverschiedenheiten herrschten, scheint nach dem Gesagten selbstverständlich.

Ebenso, daß der fanatisierte und vor lauter Leidenschaft blinde Tribünenanhang lauten Beifall brüllt, wenn ein Spieler der eigenen Mannschaft einen Gegner niedergetreten hat, und dieser vom Platze getragen wird. Ja, selbst der ausgeschlossene Spieler der eigenen Partei, der durch seinen Roheitsakt nicht nur die sportlichen Gesetze verletzt, sondern auch den Sieg des Gegners zu einem sicheren macht, wird mit Beifallsgejohle begrüßt, wenn er vom Felde zieht! Wie soll da ein Ausschluß erzieherisch auf den Spieler wirken, dem dann in der Kabine bestimmt gesagt wird, daß sein Ausschluß ungerecht war und daß er ohnehin so brav und nur der Gegner so schlimm und der Schiedsrichter so parteiisch war?

Und dann kommt das Spiel am nächsten Tage. Die Hakoah tritt gegen eine arg geschwächte und von allem Anfang an aussichtslos geschlagen scheinende Mannschaft des W.A.C. an und kann nur einen der beiden Punkte retten. Aber was die beiden Mannschaften da miteinander vorführten, das war kein Spiel mehr. Es war eine anderthalbstündige Lebensgefahr für alle Spieler, und wenn es nur leichte Verletzungen gab, so ist das ein Gotteswunder, das nicht genug gepriesen werde kann.

Wie beim Weltkrieg, so wird natürlich auch hier die Schuldfrage aufgerollt und eine jede Partei schiebt der anderen die Schuld an den häßlichen Szene zu. Die Herrschaften mögen beruhigt sein! Keiner hat dem anderen etwas vorzuwerfen, keiner unter den Spielern und keiner unter den Funktionären und keiner unter den Anhängern. Sie alle haben den schwarzen Tag für den Wiener Fußballsport heraufführen geholfen, als den wir den 28. Mai bezeichnen müssen.

Es hat in Wien schon viele abgebrochene Spiele gegeben und viel unschöne Szenen bei Fußballspielen. Diesmal ist das Spiel nicht einmal abgebrochen worden, sondern es hat seine richtige Zeit angedauert, so daß eine Fortsetzung nicht zu befürchten ist. Aber es hat in Wien noch kein Spiel gegeben, bei dem so wie diesmal von allem Anfang an auf beiden Seiten kein anderes Ziel verfolgt wurde, als den Gegner an seinem Körper zu beschädigen. Was galt da der Ball! Was galt das Tor! Nur darauf kam es an, dem Gegner "eine zu schmieren", dann würde sich der Erfolg gegen den eingeschüchterten Gegner schon von selber einstellen. Die raufenden, einander tretenden und boxenden Spieler im Felde, der von allen guten Geistern verlassene Anhang am Stehplatz und schon gar auf der Tribüne, das alles bot zusammen ein so trauriges Bild, daß man sich nur mit Schaudern davon wenden konnte.

Das Spiel ist vorüber, zwei Spieler sind ausgeschlossen worden und fünfzehn mindestens hätten den Ausschluß verdient. Aber was jetzt? Noch stehen uns ja einige solcher Spiele bevor. Die Amateure könnten der Hakoah noch im Kampfe um den Meistertitel gefährlich werden, im Kampfe um den Meistertitel, von dem man sich unwillkürlich fragen muß, ob er mit all seinem Glanze denn eigentlich die Scheußlichkeiten wert ist, die zu seiner Erlangung jetzt getan werden. Gegeneinander spielen die beiden Vereine nicht mehr, dieses Spiel ist schon erledigt und hat mit einem Siege der Hakoah geendet. Es kommt also auf die Spiele an, die sie anderen Vereinen liefern, und da kommt gleich am nächsten Samstag ein fetter Bissen an die Reihe: Die Hakoah muß gegen den Sportklub spielen, der ihr immer ein unangenehmer Gegner war und der natürlich der Hakoah mit demselben Siegerwillen gegenübertreten wird, wie er es bei dem Spiele gegen die Vienna getan hat. Man kann sicher sein, daß bei diesem Spiel wieder alle anwesend sein werden, die an einem Siege oder an einer Niederlage der Hakoah interessiert sind, und daß sie das Spiel in der ihnen geläufigen Art begleiten werden. An den Spielern liegt es nun, zu zeigen, daß man auch fair und dabei aufopfernd kämpfen kann. Wenn das Spiel ganz glatt verläuft, dann haben die Spieler einen glänzenden Beweis für ihre sportliche Reife erbracht. Für alle Fälle aber wird es gut sein, daß in Retschury ein sehr energischer Schiedsrichter bestellt ist, der gleich von allem Anfange zeigt, daß er keinen Spaß versteht.

Von dem Spiele Hakoah gegen W.A.C. sei in nachstehendem ein kurzer Bericht mit den Daten gegeben, obwohl ein Referat darüber eigentlich mehr eine Unfallstatistik sein sollte.

Hakoah gegen W.A.C. 1:1 (0:0)

Soweit sich die Sachlage in dem allgemeinen Geraufe unterscheiden ließ, war die Hakoah sehr nervös und keineswegs besser als ihr Gegner, dessen Mannschaft fast zur Hälfte aus Ersatzleuten bestand und einige der besten Spieler vermissen mußte, unter anderen auch den Mittelstürmer Kozeluh, der seine Unüberlegtheit im Spiele gegen Slovan mit einer einwöchigen Disqualifikation hat büßen müssen. Die sportlichen Leistungen bewegten sich aber deshalb auf einem so niedrigen Niveau, weil die Spieler gar nicht darauf achteten, sondern nur bestrebt waren, den Gegner zu treffen, während der Ball erst in zweiter Linie und meistens überhaupt nicht daran kam. Die Hakoah erreichte mit Verlauf des Gemetzels nach der Pause durch Grünwald die Führung, Schneider glich eine Viertelstunde vor Schluß durch einen Elfer aus, den die Hakoah durch eine "Presse" an Hofstädter verschuldet hatte. Der Schiedsrichter Fritz Paul tat, was er konnte, und ein anderer hätte sich wahrscheinlich, nachdem die ersten Dinge bereits geschehen waren, nicht anders helfen können, als daß er davongelaufen wäre und so den Spielern die Gelegenheit gegeben hätte, ungestört von irgend einem hemmenden Pfeiferl ihre Raufereien zu erledigen. Die Spieler, die an diesem glorreichen Kampfe beteiligt waren, heißen:

Hakoah:
  • Fabian;
  • Scheuer, Pollak;
  • Fried, Guttmann, Heß;
  • Neufeld, Häusler, Grünwald, Eisenhoffer, Schwarz.
W.A.C.:
  • Feigl;
  • Poppovich, Zwolensky;
  • Schneider, Klicpera, Bressani;
  • Anwar, Wallner, Hofstädter, Hansl, Huber.
Historischer Zeitungsartikel: Illustriertes Sportblatt, 6.6.1925
Eine Szene aus dem Fußballspiel Hakoah gegen W.A.C.
Originale Bildunterschrift: "Ein Vorstoß Häuslers wird abgefangen."

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