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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Das Kleine Blatt

6.4.1927

Historisches Logo der Zeitung »Das Kleine Blatt«

Die Angst der Kinder vor der Dunkelheit.

Nicht schimpfen, sondern erklären.

Die Zahl der kleinen Buben und Mädeln wird immer kleiner, die sich vor dunklen Zimmern fürchten. Oft hört man jetzt gerade das Gegenteil. Wenn das Feuer im Ofen noch brennt und das Türl offen steht, beklagen sich die Kinder, daß sie nicht einschlafen können, weil ein Licht im Zimmer ist. Die Erklärung für diesen Wandel ist wohl das elektrische Licht, das jetzt schon in den meisten Wohnungen eingeleitet ist. Beim ersten Ruf der Kinder ist es aufgedreht, und so haben sie das Bewußtsein, daß mit einem Handgriff alles hell sein kann. Das beruhigt sie auch in der Finsternis.

Früher, als es Petroleumlampen gegeben hat, war es in vielen Familien der Brauch, immer ein Nachtlicht auf den Kasten zu stellen, damit man, wenn irgend etwas schnell gebraucht wird, nicht erst Kerze oder Lampe sucht. Ist dann einmal das Nachtlicht ausgegangen, so haben sich die Kinder gefürchtet. Und das trübe, flackernde Licht warf, auch wenn's gebrannt hat, so unheimliche Schatten, daß das Zimmer ganz belegt schien von geheimnisvollen Gestalten. Und Schatten sind ja noch viel entsetzlicher als wirkliche Dunkelheit...

Heute ist bei der Tür der elektrische Schalter angebracht und es wird sofort, wenn das Kind schlafen geht, abgedreht. So gewöhnt sich der kleine Junge gleich von Anbeginn an die Dunkelheit. Und Gewohnheit ist die halbe Erziehung.

Immerhin gibt es aber doch auch jetzt noch furchtsame Hascherln. Wenn der Wind einmal heult oder Regentropfen an das Fenster schlagen, wenn irgendein altes Möbelstück zu knarren anfängt oder von fern leise und unheimlich der Donner rollt. Es kann auch etwas ganz Alltägliches sein: ein Stück raschelndes Papier, eine summende Fliege oder ein Geräusch aus dem Nebenzimmer. Dann ruft das Kind plötzlich aus dem Halbschlaf: "Mutter, komm', ich fürcht' mich so!" Sollen wir das Kind dann auslachen? Oder gar recht auszanken?

Viel klüger ist es, ihm ganz einfach und vernünftig beizubringen, daß seine Furcht unbegründet ist. War's der Regen, der es nicht schlafen läßt, dann hebt man es zum Fenster, macht Licht und gleich merkt es, woher das Geräusch kommt. War's ein Gespräch vom Nebenzimmer, dann läßt man die Tür eine Zeitlang offen. Kinder sind ja kluge, kleine Menschen, und jedem vernünftigen Zureden viel mehr zugänglich, als wir hochmütigen Erwachsenen glauben.

Gewalt anzuwenden ist aber geradezu gefährlich. Fürchtet sich ein Kind im Finstern, und wir zwingen es, ruhig in der Dunkelheit liegen zu bleiben, so wird seine Angst nur wachsen und sich steigern und das Kleine ist dann in seiner vermeintlichen Hilflosigkeit sehr unglücklich. Die Furcht setzt sich nur zu leicht fest und ergreift Besitz von dem unerfahrenen im Stiche gelassenen Kind. Am Ende wird dann ein feiger, schreckhafter Mensch aus ihm.

Jeder von uns hat irgendeine Kindheitserinnerung, die unverwüstlich lebensfrisch im Gedächtnis haften bleibt, trotz all der Jahre, die seither vergangen sind. Das Gedächtnis unserer Kinder soll nicht belastet werden mit bösen Träumen und Angstzuständen. Was vernünftige und denkende Eltern dazu beitragen können, darf nicht ungeschehen bleiben: die Kindheit unserer Kleinen fleckenlos glücklich zu machen. Dieses Ziel zu erreichen, soll den Eltern nichts zu unbedeutend sein. Darum: Wenn unsere Kinder Angst vor der Dunkelheit haben, dann nicht schimpfen, sondern erklären!

Historischer Zeitungsartikel: Das Kleine Blatt, 6.4.1927

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