WIR GRATULIEREN! MENSCHEN SCHREIBEN GESCHICHTE

In der Markthalle, wo hunderte Frauen mit vollen oder leeren Einkaufstaschen drängen, stoßen, schieben, sieht jede Frau in der anderen eine Feindin. Jedes unabsichtliche Vortreten ist ein Verbrechen, für das man Grobheiten einstecken muß, jedes harmlose Wort eine Ehrenbeleidigung, jede Bitte scheitert an der Abwehr der Nachbarin. Jede sieht in der anderen die Rivalin, die das Bessere wegkauft, die zuerst drankommt, die zu lange braucht und sich nicht vom Platze rührt, trotzdem gerade sie, und nur sie solche Eile hat, während die andere jedes Ei, jeden Apfel, jede Orange in der Hand prüfen muß. Man könne eine ganze Geschichte der einkaufenden Frauen schreiben, wenn - ja wenn man nicht selbst solche Eile hätte.

Aber so viel Zeit hatte ich mir unlängst genommen, um den Gründen nachzuforschen, warum die Frauen so böse aufeinander sind. Es ist ja deshalb, weil so viele Frauen schon müde sind, wenn sie in der Früh einkaufen gehen, weil sie viel zu wenig geschlafen haben, weil sie gehetzt sind, weil viele von ihnen die Kinder einsperren müssen, während sie ausgehen, und weil so manche dann nach dem Einkaufen erst mit der eigentlichen Berufsarbeit beginnen, weil sie trotz alledem meist zu wenig Geld für das Notwendigste haben und sie deshalb mißtrauisch werden, weil man je billiger, desto schlechter einkauft. Ach, und weil die meisten eifersüchtig auf jene Glücklicheren sind, die mehr Geld und mehr Zeit zum Einkaufen übrig haben...

Ist es da zu verwundern, daß die Einkauferei mit soviel unliebsamen kleinen Erlebnissen verknüpft ist? Ein bißchen mehr Geld, ein bißchen mehr Ruhe, ein bißchen mehr Freiheit für diese Frauen, die, abgestumpft von dem gleichförmigen Einerlei ihres mühseligen Lebens, Höflichkeit, Freundlichkeit und Entgegenkommen zu Hause vergessen haben. Ein bißchen mehr von dem, was das Leben angenehmer macht, und alle würden freundlicher sein. Auch beim Einkaufen.