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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Neues Österreich

21.4.1946

Historisches Logo der Zeitung »Neues Österreich«

Für jeden zweiten Österreicher ein paar neue Schuhe

Normalerweise benötigt ein Mensch in unserem Klima im Jahr ein Paar neue Schuhe und eine zweimalige Besohlung. Dieser normale Bedarf konnte seit Beginn des Krieges nur zum geringsten Teile befriedigt werden. Während des Krieges war die ungeheure Schuhversorgung der deutschen Wehrmacht nur dadurch möglich gewesen, daß aus dem Westen der Sowjetunion Häute, Leder und fertiges Schuhwerk in großen Mengen herangeschafft wurden.

Mit anderen Worten, die Versorgung der Soldaten und der Zivilbevölkerung mit Schuhwerk wurde auf Kosten der Bevölkerung der besetzten Länder, die systematisch ausgeplündert wurden, ermöglicht. Seit Kriegsende ist jedoch die Schuhfrage in Österreich zu einem der brennendsten wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Gegenwart geworden.

Wir verfügen zwar über eine hochentwickelte Schuh- und Lederindustrie, die den Bedarf der gesamten österreichischen Bevölkerung in kurzer Zeit decken könnte, doch leider mangelt es an den notwendigen Rohmaterialien.

Vor dem Anschluß an Deutschland führte Österreich die für die Schuherzeugung notwendigen Rohstoffe - vor allem Häute und Leder - hauptsächlich aus Südamerika, dem Balkan, der Tschechoslowakei und sogar auch aus Indien ein. Ein namhafter Teil stammte auch aus dem Inland. Da jedoch die inländischen Viehbestände zurückgegangen, die Felle schlechter geworden und die Einfuhr aus dem Auslande seit langem ausgefallen ist und auch in absehbarer Zeit nicht ins Gewicht fallen dürfte, so ist vorläufig mit einem Andauern der Mangellage zu rechnen.

Ungereimtheit

Durch die Aufteilung in Besatzungszonen und verschiedene Maßnahmen einzelner Bundesländer hat die Lage noch eine Verschärfung erfahren, so müssen zum Beispiel infolge Mangels an geeigneten Rohmaterialien für die Wienerinnen derzeit Schuhe aus starkem Kuhleder hergestellt werden, einem Material, das sich vor allem für die Schuhe der Alpenbauern und für Arbeitsschuhe eignet, wogegen in den Alpenländern für die Schuhe der Arbeiter und Bauern meist nur papierdünnes Boxcalf verarbeitet werden kann, weil eben diese Rohstoffe in den betreffenden Bundesländern vorhanden sind. Auf diese Weise erhalten beide - die Wiener und die Alpenbauern - gerade die für sie ungeeignetsten Schuhe.

Ein Produktionsprogramm der Schuh- und Lederindustrie

Die österreichische Bundesregierung lud nun kürzlich die Landesvertreter zu einer wichtigen Wirtschaftskonferenz nach Ischl ein, bei der auch die Leiter der österreichischen Schuh- und Lederindustrie ein Programm vorlegten, das eine Zentralisierung in der Lederbewirtschaftung für unbedingt notwendig erklärte, weil sich der sonst notwendige Austausch in der Bedarfsdeckung für die einzelnen Bundesländer nicht vollziehen könne.

Als Beispiel dafür diene, daß ein Wiener Schuhmachermeister für seine hundert oder mehr rayonierten Kunden innerhalb eines Jahres nur 8 1/2 Kilogramm Leder zugewiesen erhielt, während ein Schuhmachermeister in einem Bundesland 1000 Kilogramm und auch mehr bekam. Die Vertreter der Schuh- und Lederwirtschaft erklärten jedoch, daß es bei Annahme ihres Notprogramms möglich sei, jedem Österreicher eine zweimalige Besohlung im Jahre und ein Paar neue Schuhe innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren zu garantieren.

Strom- und Kohlenmangel spielen bei der Schuherzeugung nicht eine so entscheidende Rolle wie in anderen Industrien, nur fehlt es hie und da bereits an Facharbeitern und deren Nachwuchs.

Eine Reihe von Bundesländern hat sich auf dieser Wirtschaftskonferenz bereit erklärt, diesem Notprogramm der Leder- und Schuhwirtschaft zuzustimmen, während sich andere ihre Stellungnahme bis zum 5. Mai vorbehalten haben. Jedenfalls wird eine geordnete Bedarfsdeckung unmöglich sein, wenn falsch verstandener Länderföderalismus oder bürokratische Bedenken sich gegen die wirtschaftliche Notwendigkeit durchsetzen sollten.

Historischer Zeitungsartikel: Neues Österreich, 21.4.1946

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