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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Wiener Landwirtschaftliche Zeitung

20.2.1926

Historisches Logo der Zeitung »Wiener Landwirtschaftliche Zeitung«

Umstellung unserer alpenländischen Landwirtschaft.

Das zehnjährige Viehausfuhrverbot und die Maul- und Klauenseuche haben bewirkt, daß unsere alpenländischen Viehzüchter ihr altes Ochsenabsatzgebiet verloren. Die Bierbrauereien Bayerns, die Zuckerfabriken Mährens und Böhmens etc. mußten andere Bezugsquellen aufsuchen, an die sie sich bereits gewöhnt haben. Der Inlandsmarkt ist für unsere Ochsenzucht wenig maßgebend, weil der Bedarf an Lebendochsen infolge der überseeischen Fleischeinfuhr kleiner wurde und der alpenländische Bauer nicht in der Lage ist, Mastware auf den Markt zu bringen.

So wurde die Ochsenaufzucht nicht nur unrentabel, sondern sogar verlustbringend, was sich in der neuerlichen rapiden Verschuldung des Bauernstandes deutlich bemerkbar macht. Nun sagt man: Umstellung von Ochsenzucht auf Milch! Ganz richtig! Dies wird vielleicht der einzige Ausweg sein, um dem sicheren Ruin zu entgehen. Aber auch die Milchwirtschaft ist nur dann rentabel, wenn sie intensiv betrieben werden kann. Hiezu fehlt jedoch dem weitaus größten Teile unserer Bauernschaft das erforderliche Kapital. Solches zum gegenwärtigen Zinsfuß aufzunehmen, ist unmöglich.

Hebt ein Futterbauer seine Futterernten, so muß er noch Vieh ankaufen, Scheuer und Stall vergrößern, ebenso die Jauchegrube, dann kommen Kraftpumpen, elektrische Anlagen, Güllenschläuche etc. Kurz, ein richtiger Fortschrittsbauer wird mit den Investitionen nie fertig und wird in seiner Geldtasche lange Jahre ein Vakuum verspüren. Es müßte daher vorgesorgt werden, daß Landwirte, von denen ernstlich zu erwarten steht, daß sie auch wirklich intensivieren, billige und langfristige Kredite erhalten.

Gegen die Umstellung auf Milch werden vielfach Bedenken wegen Ueberproduktion erhoben, die nicht ganz unbegründet sind. Diese Gefahr kann aber abgewartet werden, wenn so wie im Allgäu, in Vorarlberg und in der Schweiz in der Nähe größerer Milchproduktionsstätten nach und nach mit billigen Krediten moderne Käsereien errichtet werden, in denen der Milchüberschuß in hochwertige Dauerware (Voll- und Halbemmentaler) verarbeitet wird.

In diese Käsereien darf nur verläßlich käsereitaugliche Milch eingeliefert werden. Energische Aufklärung in diesem Belange muß eine Hauptaufgabe der Molkereiwanderlehrer und Käsereifachmänner werden. Endlich ist die eheste Errichtung einer Molkerei- und Käsereischule mit Lehrbetrieb zur Ausbildung von Molkereifachmännern und Käsern (Melkern) notwendig. Diese Käsereischule muß die zum Lehrbetrieb nötige Milch selbst produzieren, weil sonst, so lange die Lieferanten noch nicht erzogen sind, die Gefahr besteht, daß sie käsereiuntaugliche Milch bekommt; die Käse würden dann nicht gelingen, die Schule und das Produkt von vornherein in Mißkredit kommen.

Da die Schule täglich 1000 l Milch brauchen dürfte, so käme hiefür nur ein großer Gutsbetrieb mit erstklassigen Wiesen in Betracht, wie ihn die Bundesregierung in Piber (bei Köflach) bereits besitzt, wo ohne Einschränkung des Gestütes 120 Kühe mit Grummet, dem besten Futter für Käseproduktion, gefüttert werden könnten. Piber ist erstklassig bewirtschaftet, die nötigen Räume könnten ohne bedeutende Kosten adaptiert werden.

Dies wären in groben Umrissen die Erfordernisse, welche vom Bund raschest erfüllt werden müßten, wenn der Zusammenbruch unserer alpenländischen Landwirtschaft hintangehalten werden soll. Sollte man aber den Willen nicht aufbringen können und sich nicht daran erinnern, daß der Fonds aus der ungarischen Viehpreisdifferenz, der zur Aufrichtung unserer durch den Krieg zerrütteten Viehzucht angelegt wurde, endlich seinem Zwecke zugeführt werden soll, dann ist aller Fleiß und Schweiß, alles Sparen und Darben nutzlos, da es ganz einerlei ist, ob der Bauer durch unrentable Ochsenzucht oder durch verlustbringende Milchwirtschaft zugrundegeht.

Es wäre eine interessante Aufgabe, zu errechnen, was den Bund mehr kosten wird: Die Errichtung einer Käsereischule und der nötigen Käsereien oder die Vermehrung der Arbeitslosen durch die heute noch in der Landwirtschaft tätigen Personen.

Landwirt E. Bauer, Köflach.

Historischer Zeitungsartikel: Wiener Landwirtschaftliche Zeitung, 20.2.1926

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