6.1.1909
Einst war es die Dichtung, die ihren Stoff dem Leben entnahm; heute sind die Rollen vertauscht. Das Leben inspiriert sich an den Werken der Phantasie. Die modernen Einbrecher, so schreibt der "Cri de Paris", sind nicht so unkultivierte Leute, wie man sie sich gewöhnlich vorstellt. Sie sind vielmehr äußerst interessierte Herren, die sich stets auf dem Laufenden über alle Schauspiele und Neuigkeiten halten.
Im vorigen Jahre stellten mehrere Pariser Kinematographen eine phantastische Szene dar, wie Banditen auf einen fahrenden Zug sprangen, den Zugsführer knebelten und den Packwagen ausplünderten. Bald darauf wurde man durch den Ueberfall von Etampes überrascht. Ganz kürzlich stellte uns ein neuer Film den "Schranktrick" dar. Zwei Individuen kommen in eine Wohnung und bringen einen Schrank. Die Herrschaften sind abwesend, der Diener, der nichts weiß, ist höchst verwundert. Während nun die beiden mit ihm verhandeln, kriecht ein dritter Spitzbube aus dem Schrank heraus und plündert alles Silberzeug.
Als er damit fertig ist, schleicht er sich in den Schrank zurück, die beiden Komplicen nehmen den Schrank wieder auf und gehen mit ihm davon, sich wegen des Irrtums lebhaft entschuldigend. In der vorigen Woche ist nun dieser "Schranktrick" tatsächlich in die Wirklichkeit übertragen worden. Auch sonst benützen die modernen Verbrecher jeden Hinweis. In Neuilly drückte eine Zeitung ihr Erstaunen darüber aus, daß eine vermögende alte Dame in einem einsamen Hause ohne jeden Schutz lebe. Kurz darauf suchten Einbrecher das Haus heim, die die alte Frau erwürgten und alle beweglich Habe davonschleppten.
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