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Kalorienkunde ist eine interessante Wissenschaft. Schlechtweg unentbehrlich im Zeitalter der Erbsen und Bohnen. Sie lehrt den braven Bürger, wann er genug gegessen hat, auch wenn der Magen der gegenteiligen Ansicht sein sollte. Die bösen Bürger mißachten diese Wissenschaft. Sie bekommen nie genug.

Eine Frucht der Kalorienkunde sind die Lebensmittelkarten. Sie unterscheiden sich, wie die Banknoten, durch die Farbe und durch den Nennwert. Die beliebteste ist die Normalverbraucherkarte. Normalverbraucher, das klingt fast wie ein Titel, wie eine Auszeichnung. Ist auch eine solche. Nur der Normalverbraucher bringt das Kunststück fertig, die ganze Kalorienwissenschaft auf den Kopf zu stellen.

2000 Kalorien, sagt diese, braucht der Mensch, um seinen Organismus nur halbwegs in Gang zu halten. Der Normalverbraucher hat es geraume Zeit mit 800 Kalorien besorgt; nach diesem Training geht es mit 1500 natürlich spielend. Er legt sich dabei nicht etwa ins Bett, was die Kalorienwissenschaft schon bei 2000 Einheiten empfiehlt. Im Gegenteil, er läuft wegen ein paar Kilogramm zusätzlicher Erdäpfel zu einem landwirtschaftlichen Freund bis nach Kaiser-Ebersdorf und wegen 10 Kilogramm Holz bis nach Hütteldorf.

Das sind die Normalverbraucher im allgemeinen. Es gibt in dieser Gilde aber auch noch eine Spitzenklassen, die reinsten Wundergeschöpfe. Der 16-Stunden-Tag ist bei ihnen Selbstverständlichkeit. Dazu treiben sie unaufhörlich Körpersport. Rhythmische Gymnastik in zeitbedingten, ungewohnten Varianten: Waschen, Bügeln, Bodenreiben, Fensterputzen.

Hei, das macht Appetit! Und schlank dazu! Zu schlank, manchmal. Trotzdem halten sie die Normalverbraucherquote durch. Nicht ganz freiwillig, auch nicht restlos begeistert, aber immerhin ...

Sie fragen, wer diese Wundergeschöpfe sind, diese lebendigen Gegenbeweise aller Kalorientheorien? Sie werden es nicht erraten: unsere Hausfrauen. Sicherem Vernehmen nach wollen sie sich demnächst zu einem Verband der abnormalen Normalverbraucher zusammenschließen und der Normalverbraucherkarte für ihren Teil den Krieg erklären. Es steht zu hoffen, daß sie deswegen nicht als Friedensbrecher und Aggressoren betrachtet werden.