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Berlin, 4. Juni. Selbst juristische Moralisten strengster Observanz würden sich gewundert haben, wenn der Mörder Talaat Paschas von den Geschworenen schuldig gesprochen worden wäre ... Was Teilirian von den Leiden seines Volkes unter den wilden, an Wahnsinn grenzenden ja wahrscheinlich nur mit nationalistischen Wahnsinn zu erklärenden Grausamkeit der Jungtürken erzählte und Professor Lepsius als Augenzeuge der armenischen Metzelei bestätigen mußte, würde genügen, um das Wiedervergeltungsrecht des einzelnen gegen den Haupturheber des ungeheuren Verbrechens als eine Tat moralischer Notwehr zu rechtfertigen; die nahezu fünfjährigen jungtürkischen Greuel 1914 bis 1918 in Armenien gehen über den Rahmen aller menschlichen Begriffe hinaus ...

Dem deutschen Volke hielt das Zensursystem des Hauptquartiers diese Greuel streng verborgen - das feindliche Ausland faßte Deutschlands ahnungsloses Schweigen als ein Zeichen des Mitwissens, der Mitschuld und selbstsüchtiger Unmoral auf ... Erst der Zusammenbruch der Türkei machte der Tragödie ein Ende durch die Sanktionen eines vom Sultan gewiß nicht aus freiem Ermessen eingesetzten Kriegsgerichts, das Talaat, Enver, Djamil und andere Jungtürken zum Tode verurteilte. Das war im Februar 1919 ... lassen wir nun Teilirian erzählen ... Seine Eltern, sein älterer Bruder wurden in seiner Gegenwart erschlagen, seiner Schwester Gewalt angetan, er selber fiel infolge eines Kolbenschlages in den Nacken bewußtlos zu Boden ...

Dr. Lepsius erklärte als Sachverständiger, der allgemeine Deportationsbefehl gegen die Armenier wurde 1915 von Talaat und Enver ausgegeben. Der Befehl hat mit ganz wenigen Ausnahmen die ganz armenische Bevölkerung der Türkei, ungefähr zwei Millionen Menschen, betroffen. Im amtlichen Telegramm, das an die Behörden ging, hieß es: "Die Armenier sind an den Nordrand der mesopotamischen Wüste zu bringen. Das Verschickungsziel ist das Nichts." ... Kann es nach alldem irgend einen Menschen unter der Sonnte geben, der an Salomon Teilirians Freisprechung etwas auszusetzen hätte?

Dieser Artikel ist auch zu lesen in:

Dokumentation zur österr. Zeitgeschichte 1918 - 1928
(Christine Klusacek, Kurt Stimmer)
Jugend und Volk