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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Neues Österreich

5.6.1945

Historisches Logo der Zeitung »Neues Österreich«

Arbeiter und Bauern

In allen Zeiten erklang der Ruf:

Arbeiter und Bauern! als eine Mahnung zur Einigkeit. In allen Zeiten haben Arbeiter und Bauern gemeinsam gelitten und wurden gemeinsam unterdrückt. Haben sie auch gemeinsam gekämpft? Wenn sich die Bauern gegen ihre Peiniger erhoben, dann horchten die Kleinhandwerker und Arbeiter in den Städten auf, denn die Bauern kämpften auch für sie; und da und dort leisteten sie den Bauern Schützenhilfe. Wenn die Arbeiter in den Städten für ihre Freiheit kämpften, dann kämpften die Bauern mit ihnen. Aber nie kam eine vollständige Einigung zustande oder sie wurde doch bald wieder zerrissen. Nur allzuoft marschierten Arbeiter und Bauern getrennt und wurden getrennt geschlagen.

In Österreich erklingt jetzt, nach den bitteren Erfahrungen der letzten Jahre, recht laut die Mahnung zur Einigung. Zur Einigung aller, und nicht zuletzt der Arbeiter und Bauern. Der deutsche Faschismus hat mit Hilfe der DAF die Arbeiter zu recht- und hilflosen Sklaven gemacht und die Bauern mit Hilfe des berüchtigten Dorfdreiecks niedergehalten und terrorisiert. Dafür hat er die Bauern mit dem blödsinnigen Blu-Bo-Quatsch zu umnebeln versucht und die Sklaven in den Rüstungsbetrieben zu "braven deutschen Arbeitern" ernannt; es war aber ein Schimpf.

Die Nazipropaganda hat uns gerne erzählt, daß die meisten Bauern Nazi sind. Und weil den Nazi so vieles geglaubt wurde, hat ihnen auch das mancher "brave deutsche" Städter geglaubt. Es war eine so freche Lüge wie alles, was diese größten Schwindler aller Jahrhunderte in einem entsetzlichen Deutsch - sie haben die deutsche Sprache wie das deutsche Volk mißhandelt - dahergeredet und geschrieben haben. Gewiß: Viele Großgrundbesitzer waren die ersten Nazi - sie sind jetzt geflohen und haben mitgeschleppt, was nur möglich war - und manche Bauern, die ihre Wirtschaft vernachlässigt haben und deswegen in Schulden gerieten, haben sich lieber mit den illegalen Nazi herumgetrieben, statt ihre Äcker zu bestellen, weil sie hofften, auf diese Weise ohne Arbeit ihre Schulden los zu werden, was ihnen vielfach auch gelang.

Aber die meisten österreichischen Bauern waren voll Haß und Feindschaft gegen die deutschen Faschisten und Eindringlinge vom Anfang an bis zum bitteren Ende. Bis zum bitteren Ende. Der Nazikrieg hat viele tausende österreichische Arbeiter getötet und die Wohnungen und Arbeitsstätten der österreichischen Arbeiter zerstört. Der Luftkrieg hat zwar die meisten Dörfer verschont, aber viele tausende österreichische Bauern und Bauernsöhne kommen nicht wieder, und schließlich hat der Krieg infolge des "Durchhaltens" der Naziführer, die ihr Leben noch ein paar Wochen lang genießen wollten, in vielen Gegenden die junge Saat auch auf österreichischen Feldern zerstampft.

Schon im Frieden waren Arbeiter und Bauern aufeinander angewiesen. Der Arbeiter kann nicht leben und arbeiten ohne das Brot, das der Bauer schafft, der Bauer kann nicht bestehen ohne Geräte und Werkzeuge, ohne Kleider und Schuhe, die er aus Arbeiterhänden erhält. Die Arbeiter und die Bauern haben auch immer gewußt, daß sie zueinander gehören. "Wir kommen ja ohnedies fast alle vom Land", sagen die Arbeiter. "Wir sind ja auch Arbeiter", sagen stolz die Bauern. Beide wissen: Nichts ist das Dorf ohne die Stadt, nichts ist die Stadt ohne das Dorf. Aber immer haben die, die ein Macht- und Profitinteresse daran hatten, eine künstliche Kluft zwischen Stadt und Land geschaffen, und die Nazi waren ständig bestrebt, diese Kluft noch zu erweitern.

Jetzt aber ist es höchste Zeit und größte Notwendigkeit, daß diese Kluft, wenn sie überhaupt noch besteht, beseitigt wird wie der Kriegsschutt auf Straßen und Feldern. Die Städter können ihre Häuser nicht aufbauen und nicht leben und arbeiten ohne die tatkräftige Hilfe der Landwirtschaft, die Bauern können die Felder nicht bestellen und nicht ernten und die Landwirtschaft nicht aufbauen ohne die Unterstützung der Arbeiter. Aus der gemeinsamen Not und Sorge ist der alte Ruf: Arbeiter und Bauern, seid einig! entstanden. Dem Ruf muß die Tat, muß das gemeinsame Werk des Wiederaufbaues in Stadt und Land folgen.

Laurenz Genner
Historischer Zeitungsartikel: Neues Österreich, 5.6.1945

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