14.9.1930
Ein Jahr ist es erst her, da wurde in Wien zum erstenmal ein Tonfilm aufgeführt. Es war der wunderschöne Südseefilm "Weiße Schatten". Damals war der Tonfilm vor allem eine technische Sensation, man lief in die zwei, drei Tonfilmkinos, um Musik ohne Orchester, um die pfeifende, singende und schließlich gar sprechende Leinwand zu hören - heute ist das Wunder längst selbstverständlich und alltäglich geworden. Damals stritt man eifrig um die Frage: "Wird der Tonfilm sich durchsetzen oder nicht?" - heute ist diese Streitfrage längst entschieden: alle großen und fast alle größeren Wiener Kinos sind zum Tonfilm übergegangen und in Deutschland wurde schon im Vormonat kein stummer Film mehr gedreht. So rasch ging die technische Entwicklung des Tonfilms vor sich. Um so dürftiger freilich waren seine künstlerischen Ergebnisse.
Die vielversprechenden Ansätze in den "Weißen Schatten" sind kaum wesentlich ausgestaltet worden, und selbst die sprachliche und klangliche Höhe, die schon im vorigen Winter der vortreffliche Spielfilm "Die Nacht gehört uns" erreicht hatte, wurde von den meisten späteren Sprechfilmen weit unterboten. Dafür kam, nachdem die Flut der nachsynchronisierten stummen Filme aus Amerika abgeflaut war, aus Deutschland die Operettenseuche, die immer noch andauert.
Dennoch können wir auch dem ersten Tonfilmjahr einige wenige wirkliche Erlebnisse zugute schreiben: den eindrucksvollen "Altantic"-Film Duponts, die künstlerische Tonfilmoperette Lubitschs, "Liebesparade", und zuletzt noch den erschütternden Weltkriegsfilm Pabsts, "Westfront 1918"; nicht zu vergessen die entzückenden amerikanischen Tontrickgrotesken; und auch, daß die Wochenschau lebendig geworden ist, bedeutet zweifellos eine Bereicherung.
WIR GRATULIEREN! MENSCHEN SCHREIBEN GESCHICHTE.
Ein DER LICHTBLICK Projekt.