20.11.1908
Eine eigentümliche Industrie wird in den Dörfern des oberen Donau-Tales getrieben, die Schneckenzucht, oder besser gesagt, die Schneckenmästung. Es handelt sich - so berichtet die "Köln. Ztg." - um die große Hausschnecke, die in Millionen Exemplaren auf den Feldern und in den zahlreichen Wäldern des Donau-Tales gesammelt wird und sodann in eigens angelegten Schneckengärten mit Kohlblättern und sonstigen Grünzeug gemästet wird. Man nennt sie im allgemeinen Weinbergschnecke, wiewohl dieser Name für diese Gegend nicht zutrifft, da im oberen Donau -Tale kein Wein gebaut wird.
Im Frühjahre kann man Männer, Frauen und Kinder sehen, die, mit einem Sacke versehen, in Wald und Feld emsig die Schnecken sammeln, um sie an die Besitzer der Schneckengärten abzugeben. Die Schneckengärten, die schon seit Jahrhunderten bestehen und sogar Ortsbenennungen herbeigeführt haben, dienten früher, sehr einfach im freien Felde angelegt, zum Gebrauche der Einwohner selbst. Seit mehreren Jahren jedoch ist diese Industrie sehr gewachsen. Man mästet die Schnecke für die Ausfuhr, und ganz besonders ist es Paris, wohin alljährlich diese eßbaren Weichtiere nach Millionen ausgeführt werden.
Ein solcher Schneckengarten, der mit einer niederen Mauer umgeben ist und durch den sich ein Fußsteig zieht, bedarf der Wartung. Im Hochsommer duftet er nicht lieblich, zumal auch Bewohner des Schneckengartens mit Tod abgehen, die dann entfernt werden müssen. Wenn die Schnecke sich verkapselt, ist sie transportfähig. In diesem Jahre beträgt der Preis bis zu 17 Mark für 1000 Stück. Kenner wissen aber gut zu unterscheiden in der Güte der Schnecke, wonach sich auch der Preis richtet. Man hat ausgerechnet, daß im oberen Donau-Tale alljährlich an 6 Millionen Schnecken gemästet werden.
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