WIR GRATULIEREN! MENSCHEN SCHREIBEN GESCHICHTE

Der Zug ist eben eingefahren. Alles eilt und drängt zu den Wagen, um den gewünschten Platz zu erobern. Und nie ist einer dem andern schnell und geschickt genug. Da gibt es plötzlich ein Hindernis. Man weiß im ersten Augenblick nicht, was es ist, vermag sich nicht sofort darüber zu orientieren, weshalb eine ganze Anzahl von Menschen lachend um eine Waggonstiege gruppiert ist. Mit echt österreichischer Neugierde laufen die Passagiere, schauen und gewahren an der Leitstange dieses Wagenaufstieges eine junge Dame hängen, die in verzweiflungsvollen Gesten zu verstehen gibt, daß sie nicht einsteigen könne, weil ihr Rock so eng ist.

Der unvorsichtige Schneider, der nur an die Mode zu denken, aber nicht dem Zwecke zu gehorchen hat, schnitt den Rock so knapp, daß er die Gestalt allerdings mit allen Ansprüchen genügender Plastik modellierte, den Waggonstiegen aber keineswegs Rechnung trug. Und die Bahnverwaltung ist rückständig genug, ihre Wagen den Vorschriften des engen Rockes nicht anzupassen. Hilflos hing die junge Dame zwischen Erde und Wagen, zwischen Wollen und Können, und die rohe Menschheit stand ringsum und lachte Tränen. Vor allem lachten natürlich die Frauen.

Die Unterhaltung war so groß, daß niemand daran dachte, dem tragischen Modeopfer beizustehen, die Frauen schon gar nicht. Auch das Opfer selbst lachte schließlich, bis ein barmherziger Reisender sich der Märtyrin ihres Rockes näherte, und sie ritterlich um die Erlaubnis bat, ihr einen "Schupfer" geben zu dürfen. Der Herr "tauchte" an und beförderte die junge Dame wie ein Kolli mit unerläßlichem Schwung ins Kupee. So geschehen zu Attnang im Oktober dieses Jahres allen zur Warnung, die Modedamen sind oder werden wollen.