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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Neues Österreich

9.10.1945

Historisches Logo der Zeitung »Neues Österreich«

Der Rucksack geht um.

Mögen Sie Rucksäcke? Mir sind sie höchst unsympathisch. Vor allen Dingen dann, wenn sie, mit harten Gegenständen gefüllt, auf den Rücken kräftiger Personen hängen, die sich in die überfüllte Tramway wuzeln.

Ich erinnere mich, daß ich vor ungefähr sieben, acht Jahren den Rucksack noch wohlwollend betrachtete. Damals war er noch nicht so aufgebläht, er enthielt meistens ein Schwimmhoserl, eine Decke, ein gebackenes Hendl, ein Stück Krakauer und Semmeln. Niemand schaute auf ihn voller Neid oder Zorn. Dann kam die große Zeit, in der die kleinen Leute nichts zu lachen hatten, und der Rucksack büßte sowohl an Sympathie als auch an Inhalt ein.

Wer das Pech hatte, sich als deutscher Soldat verkleiden zu müssen, lernte den Rucksack als ärarisches Gut kennen und haßte ihn wie die Sünde, weil er mit Dingen vollgestopft werden mußte, die beinahe einen Zentner wogen und auf einer Liste verzeichnet waren. Man dufte sie erst wegwerfen, wenn man sich unbemerkt vom Feinde absetzte.

Auch in der Heimat, beim Zivilisten, büßte der Rucksack an öffentlicher Gunst ein. Er wurde nämlich nicht nur Luftschutzgepäck, sondern auch das unentbehrliches Requisit der Hamsterer und Schleichhändler. Böse, neidische Blicke trafen ihn und tasteten seine Rundung ab. Wer Röntgenaugen hatte, konnte sogar den Kaloriengehalt eines Rucksackes bestimmen.

Als die kritische Lage laut "Völkischem Beobachter" eine Entspannung erfuhr und sich die Rote Armee Wien näherte, verschwand eine ganze Menge Rucksäcke aus dem Stadtbild und zog in die Alpengaue. Es blieben aber immer noch genug zurück, mit Gemüse und Erdäpfeln gefüllt, bildeten sie den sogenannten Rucksackverkehr und diente dem Wiederaufbau des menschlichen Körpers.

Seitdem aber die Wiener an der Brennstoffwechselkrankheit leiden und ihre Öfen mit Holz statt mit Kohle heizen müssen, bildet der mit zersägten Baumstämmen angefüllte Rucksack in der überfüllten Tramway eine öffentliche Gefahr. Als neulich ein Mann mit zerfetzten Kleidern und eingedrücktem Brustkorb im Spital eingeliefert wurde, waren die Ärzte übereinstimmend der Ansicht, ein Opfer des Verkehrs vor sich zu haben. Sie nahmen an, ein Lastwagen sei über ihn hinweggefahren. In Wirklichkeit hatte der Mann in der überfüllten Tramway zwischen zwei Rucksäcken gestanden. Es handelte sich also um einen Rucksackverkehrsunfall.

p. k.

Historischer Zeitungsartikel: Neues Österreich, 9.10.1945

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