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HISTORISCHER ZEITUNGSARTIKEL:
Neues Österreich

15.8.1945

Historisches Logo der Zeitung »Neues Österreich«

Gemeinschaftsarbeit aller Wiener im September

Der Bürgermeister organisiert die Reinigung Wiens

Bürgermeister General a. D. Körner hat in der heutigen Sitzung des Stadtsenats einen Bericht über die großen Probleme der Stadtverwaltung erstattet und Vorschläge für Maßnahmen zur Bekämpfung des Arbeitermangels vorgelegt. Der Bürgermeister führte aus:

Seit der Befreiung Wiens sind vier Monate vergangen. Es ist viel geschehen. Aber ich bin noch immer von tiefer Sorge um unser Wien erfüllt.

Es ist noch nicht gelungen, den Kehricht und den Schutt von den Straßen wegzuräumen. Es handelt sich nach Schätzungen um 850.000 Kubikmeter, die ganz zu beseitigen natürlich monatelanger Arbeit bedürfen würde.

Der Zustand unserer wichtigsten städtischen Versorgungsbetriebe, der Elektrizitätswerke, der Gaswerke, der Wasserwerke und der Straßenbahn, bereitet uns ebenfalls schwere Sorgen. Im Interesse der Gesundheit und Schönheit unserer Stadt sollten auch die städtischen Gärten in Ordnung gebracht und auf allen Friedhöfen Vorsorge für rasche Bestattung unserer Toten getroffen werden.

Es fehlen aber in erster Linie die nötigen Transportmittel, es fehlt wichtigstes Material aller Art, es fehlen notwendige Arbeitsgeräte (Krampen, Schaufeln, Traggefäße, Karren, Schiebkarren). Von größter Wichtigkeit wäre auch die Rückführung aller Wiener Wagen, die von der Hitlertruppe verschleppt, sich jenseits der Demarkationslinie befinden.

Aber - ich kann es nicht verschweigen - es fehlen oft auch die fleißigen Arbeitshände, die alle diese Transportmittel, Arbeitsgeräte, Baugeräte in Bewegung setzen müssen.

Ich weiß wohl, warum es oft an Arbeitern mangelt. So muß ich darauf verweisen, daß von den Bewohnern Wiens, wie bei Ausgabe der Lebensmittelkarten festgestellt wurde, zur Zeit 61 Prozent Frauen und nur 39 Prozent Männer sind. Unter den Männern überwiegen bei weitem die ganz alten und die ganz jungen. Die derzeitigen Gesundheits- und Ernährungsverhältnisse bringen es auch mit sich, daß viele nicht arbeiten können, die gerne arbeiten würden.

Denkschrift an die Besatzungsmächte

Im Gefühle meiner Verantwortung beabsichtige ich, mich in einer Denkschrift, in der alle angeführten Tatsachen noch durch Material belegt werden könnten, an die Besatzungsmächte mit der Bitte zu wenden, daß sie uns die zur Leistung der wichtigsten und unaufschiebbaren Arbeit unbedingt notwendigen Transportmittel, Arbeitsgeräte, Maschinen und Materialien zur Verfügung stellen!

Wenn wir dies erreichen würden, dann könnten wir noch vor Hinbruch des Winters, also nach vorangegangener Organisationsarbeit von Anfang September an, in einer großen Anstrengung der gesamten Wiener Männer und Frauen den Versuch machen, die von mir dargestellten Schäden, soweit es nur möglich wäre, zu beseitigen.

Es müßte mir die Ermächtigung gegeben werden, diejenigen, die sich etwa einer Gemeinschaftsarbeit für das allgemeine Wohl zu entziehen versuchten, auch im Wege des Zwanges zu jener Arbeit zu veranlassen, die andere freiwillig leisten.

Es ist selbstverständlich, daß Arbeitsgruppen von Nationalsozialisten getrennt von der Arbeitsgruppe der übrigen Bevölkerung, eingesetzt werden würden.

Aber die notwendige Arbeit kann ohne die Mithilfe der übrigen Bevölkerung, besonders auch der Frauen im arbeitsfähigen Alter, nicht geleistet werden!

Ebenso könnte an die Mithilfe von Beamten und Angestellten für einen teil ihres Arbeitstages gedacht werden.

Ich beabsichtige, wenn mir die Regierung die notwendigen Vollmachten erteilt, aus den drei Vizebürgermeistern der demokratischen Parteien, aus den Stadträten, aus den Bezirksvorstehern, aus den zuständigen Berufsvertretungen und aus den notwendigen Fachleuten einen Beirat zu berufen, der in den Wochen bis zum 1. September 1945 die Arbeit für den Monat September in Arbeitsausschüssen und bezirksweise zu organisieren und Vorschläge über den Kreis der zur Arbeit Einberufenden, über die Art und Dauer der Verwendung und ähnliche Fragen zu erstatten haben wird.

Ich bemerke im voraus, daß aus den Fabriken und Produktionsstätten nur jene Arbeiter gezogen werden sollen, die etwa in dem festgesetzten Arbeitsmonat überzählig wären.

Ich stelle daher folgende Anträge:

  1. Der Senat beschließt, die Regierung unter Vorlage der obigen Darstellung zu ersuchen, dem Bürgermeister die nötigen Vollmachten für die Durchführung einer Gemeinschaftsarbeit für das allgemeine Wohl in Wien im Monat September 1945 zu erteilen.
  2. Der Senat ermächtigt den Bürgermeister, die Organisationsarbeiten für die Gemeinschaftsarbeit sofort in Angriff zu nehmen.

Der Stadtsenat hat die Anträge des Bürgermeisters einstimmig zum Beschluß erhoben.

Historischer Zeitungsartikel: Neues Österreich, 15.8.1945

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