18.8.1929
Zwei Kinotheater haben ihre Musiker entlassen und Grammophone zur Filmbegleitung angeschafft; die Eintrittspreise setzten sie natürlich nicht herab, sondern gedachten, die auf Kosten der brotlos gewordenen Musiker und des Publikums erzielten Ersparnisse, zur Gänze einzustreichen.
Aber der Finanzreferent der Gemeinde Wien, Stadtrat Breitner, hat ihnen einen Strich durch die profitable Rechnung gemacht: die beiden Kinos wurden sofort in eine höhere Steuerklasse eingereiht; während sie bisher bloß 10 Prozent Lustbarkeitssteuer zu zahlen hatten, mußten sie von nun an 28 1/2 Prozent zahlen. Die Folge? Der Abbau von Musikern rentiert sich nicht! - Darüber mögen sich die Kinobesitzer erbosen; das Kinopublikum wird dem Stadtrat Breitner nur dankbar sein, daß er durch kluge und zielbewußte Steuermaßnahmen die völlige Herabdrückung des Wiener Kinobetriebes auf Provinzniveau zu verhindern versteht.
Vor allem aber werden die Kinomusiker dieser Steuermaßnahme freudig beipflichten; sie sind heutzutage ohnedies durch den Tonfilm schwer bedroht; aber der Tonfilm ist immerhin ein großer Fortschritt - gegen den ist kein Kraut gewachsen; daß sie aber auch durch einen Rückschritt geschädigt werden sollen, nur damit die Profitsucht von ein paar Kinobesitzern befriedigt wird, das scheitert erfreulicherweise daran, daß heute sozial denkende Menschen, unbeirrt vom Geschrei der Unternehmer und ihrer Söldlinge, in der Gemeinde Wien die Verwaltung führen.
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