In meiner geliebten idyllischen Sommerfrische dahinten im bayrischen Wald war es. Wir saßen des Morgens im süßen Nichtstun vor unserer Behausung im Schatten alter Bäume. Ganz in unserer Nähe hatte sich eine sächsische Geheimrätin niedergelassen. Da kam ein kleines Bauernmädchen mit einem Körbchen voll Erdbeeren. Die Kleine erschien jeden Morgen um diese Zeit, um das Ergebnis ihres Fleißes in kärgliche Münze umzusetzen. Zuerst bot sie ihr Körbchen der Frau Geheimrätin dar. "Was kosten Deine Erdbeeren?" "20 Pfennig." "Du bist aber teuer, Kleine, gestern hattest Du viel mehr und warst mit zehn Pfennig zufrieden."
Mein Begleiter, ein prächtiger alter Nürnberger Herr, hatte mit funkelnden Augen die Verhandlungen verfolgt. Nun rief er, ohne weitere Rücksicht auf die Geheimrätin zu nehmen, das Kind zu sich. "Sag' einmal, Kleine, wie lange hast Du an den Beeren gesammelt?" "Uma fünfi san mir aufg'standen. Bis jetzt hab i g'sucht." (Es war etwa 10 Uhr.) "Nun, da hast Du eine Wurst oder ein Stück G'selcht's dabei g'habt?" "Na, a Stückerl truckens Brot." "So, da leere mir einmal die Hälfte Deiner Beeren auf diesen Teller. Hier hast Du 20 Pfennig. Die andern Beeren nimmst Du wieder mit und suchst sie drüben im andern Wirtshaus zu verkaufen! Halt! Dies Stückerl Schinken kannst Du noch mitnehmen!"
Die Geheimrätin war abwechselnd blaß und etwas hochrot geworden. Sie erhob sich und verschwand im Hause. Am Abend vorher hatte sich die Dame darüber beklagt, daß im bayrischen Wald so wenig für Luxusbedürfnisse gesorgt sei. - Aehnliches soll auch in Oesterreich vorkommen.
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