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Wien müßte, wenn einmal eine Konkurrenz über die Güte des Trinkwassers in den Millionenstädten der Welt abgehalten würde, wohl einen der allerersten Plätze belegen. Das Wiener Wasser ist berühmt. In den letzten zehn Jahren freilich haben die Bewohner einiger Bezirke auch an dem Wiener Wasser einiges auszusetzen gehabt. Es schmeckte mehr oder minder intensiv nach Chlor, weil dem Wiener Wasser auf Befehl der Besatzungsmächte Chlor zugesetzt werden mußte, um etwa vorhandene Keime zu vernichten. Die beigegebene Chlormenge ist sehr gering, auf ein Liter Wasser kommen 0.26 Milligramm Chlor. Dennoch bedeutet dieser Zusatz eine Geschmacksverschlechterung, die besonders in jenen Bezirken zu spüren ist, die in unmittelbarer Nähe der Wasserspeicher liegen.

Die Forderung der Besatzungstruppen, das Wiener Trinkwasser zu chlorieren, war im Jahre 1945 nicht unberechtigt. Beide Hochquellenleitungen waren damals an einigen Stellen beschädigt, sie konnten wegen Personalmangels nicht so bewacht werden, wie es nötig ist, um sie vor Verunreinigung zu bewahren. Schon eine kleine Verunreinigung konnte jedoch damals für die geschwächte Wiener Bevölkerung die Gefahr einer Epidemie bedeuten. Deshalb wurde das Wasser in den Speichern Wiens mit dem keimtötenden Chlorzusatz versehen.

Nun haben sich die Zeiten jedoch geändert. Die Hochquellenleitungen sind ausgebessert, die Bewachung des Quellenschutzgebietes funktioniert wieder. Die Leitung der Wiener Wasserwerke ist daher der Ansicht, daß die Chlorierung des Wassers nicht mehr nötig ist. Hygieniker fordern zwar weiterhin die Chlorierung des Wassers, die Erfahrungen der letzten zehn Jahre haben jedoch gezeigt, daß das Wasser der Wiener Hochquellenleitung auch ohne Chlorzusatz einwandfrei ist.